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Corona und die Autoindustrie

Zwischen alter Krise und neuer Normalität

Die deutsche Autoindustrie wurde von der Corona-Krise schwer getroffen. Sie muss sich auf einen neuen Normalzustand einstellen und dafür jetzt die passenden Weichen stellen.

Die Zukunft für die Autoindustrie ist aufgrund der Corona-Pandemie sowie der unbestimmten Entwicklungen auf den globalen Märkten vor allem eines: ungewiss. In der Studie „New Normal for the automotive industry – Understanding strategic implications of the crisis through scenarios“ der Unternehmensberatung Roland Berger wird den Herstellern empfohlen, sich auf einen neuen Normalzustand einzustellen.

Im schlimmsten Fall könnten die Folgen der Corona-Krise noch mehrere Jahre zu spüren sein. Ergo steigt die signifikante Unsicherheit mit Blick auf die Erholung des globalen Pkw-Absatzes für die Zeit nach dem Pandemie-Knick. Der Grad der Erholung, so die Autoren der Studie, ist explizit von Faktoren wie der globalen Wirtschaftslage, politischen Entscheidungen und einem möglicherweise grundlegend veränderten Konsumentenverhalten abhängig. Eigentlich nichts Neues – doch vor allem die Entwicklung des letzten Punktes lässt sich kaum vorhersagen, sondern bestenfalls erahnen. Die Corona-Krise hinterlässt also sehr tiefe Spuren in der deutschen Wirtschaft.

Ist-Zustand bereitet Sorgen

Die deutsche Automobilindustrie befindet sich in einem dramatischen Wandel, wie das erste Halbjahr 2020 beweisen konnten. In den ersten sechs Monaten erhielten 1.210.622 fabrikneue Personenkraftwagen (Pkw) eine Zulassung und damit 34,5 Prozent weniger als im ersten Halbjahr 2019. Mehr als die Hälfte davon waren Benziner (51,5 Prozent), gefolgt von Diesel-Pkw (30,6 Prozent). Autos mit einem Hybridantrieb (13,7 Prozent) sowie Elektro-Pkw (3,7 Prozent) sind dahingehend auf dem Vormarsch. Der einfache Grund: Beide Typen konnten den Absatz an Neuwagen um 60,8 bzw. 41 Prozent erhöhen. Autos, die mit Flüssig- oder Erdgas betrieben werden, spielen in Deutschland gegenwärtig keine besondere Rolle.

Im Juni 2020 wurden zwar 220.272 Neuwagen zum Straßenverkehr zugelassen, jedoch lag dieser Wert fast ein Drittel unter dem Vormonat. Bei allen deutschen Marken gingen die Zulassungen zurück. Importmarken wiederum – wie beispielsweise Mitsubishi, Honda, Subaru oder Fiat – verzeichneten teilweise sogar zweistellige Zuwächse. Den größten Neuzulassungsanteil verzeichnete Skoda.

Quo vadis, deutsche Autoindustrie?

Aktuell fehlen der Autoindustrie Perspektive und Ausblick, wie sie den Erholungsprozess nach der Krise gestalten könnte. Sicher ist: Je schlimmer die Rezession, desto extremer die Auswirkungen. Denkbar sind zwei Szenarien: Nimmt die Entwicklung die Form eines U an, dann startet relativ zeitnah eine Normalisierung, wodurch das vor der Krise prognostizierte Niveau in Bezug auf den globalen Autoabsatz bis 2025 durchaus noch erreicht werden kann.

Kommt es allerdings zur Form eines L, dann muss sich die Autoindustrie auf eine anhaltende Rezession einstellen. Verursacht werden kann das durch eine erneute Ansteckungswelle mit dem Coronavirus. Dadurch dürften sich die Preissensitivität der Kunden und deren Nachfrage nach günstigen Automobilen deutlich erhöhen. Hersteller von Fahrzeugen aus dem teuren Preissegment als auch deren Zulieferer würden ins Hintertreffen und in wirtschaftliche Schieflage geraten.

Umdenken erforderlich

Um die Schäden und Folgen so gering wie möglich zu halten, fordert die Industrie situative Entscheidungen von der Politik. In den Reihen der deutschen Autobauer wurden Stimmen laut, die staatliche Kaufanreize für Automobile forderten. Umweltschützer und Vertreter anderer Branchen wiederum kritisierten diesen Egoismus und sprachen sich gegen eine Bevorzugung aus.

Die Autoren der Studie stellen anhand verschiedener Szenarios heraus, dass ein möglicher neuer Normalzustand in der Automobilindustrie ein langfristiges Umdenken erfordert. Dazu gehören ad hoc die Neubewertung bestimmter Märkte und die Wirtschaftlichkeit des eigenen Produktspektrums. Hierbei sollte krisenabhängig ebenso die Konsolidierung und Regionalisierung von Lieferketten im Auge behalten werden.

Das neue normale Jetzt

Die Autohersteller stehen unter Schock: Sorgten sinkende Volumina und Margen, Überkapazitäten und strengere Emissionsvorschriften sowie eine kostspielige Umstellung auf Elektrifizierung und Digitalisierung für einen ersten Abschwung, setzte die Corona-Pandemie ihnen zusätzlich und nachhaltig zu. Politische Neukonzepte sowie ein verändertes Verhalten der Wirtschaft im Allgemeinen und der Verbraucher im Besonderen bedrohen langfristig das Geschäftsmodell der Automobilhersteller. Doch wie kann es nach der Krise weitergehen?

Genau dieser Frage hat sich die Studie von Roland Berger gewidmet, in welcher die Unternehmensberatung auf der Grundlage plausibler Regierungsreaktionen und Arten der wirtschaftlichen Erholung potenzielle Szenarien durchdenkt. Dabei zeichnen sich mehrere Schlüsselimplikationen ab. So werden Autohersteller aufgrund von sinkender Bargeldreserven und steigender Handelszölle ihre globale Präsenz einschränken und sich stattdessen auf die eigenen Kernmärkte konzentrieren. Viele Verbraucher werden sich aufgrund fehlender Kaufkraft verstärkt für weniger und billigere Autos entscheiden. Den Händlern gehen dadurch Einnahmen und Margen verloren.

Wenn es den Unternehmen währenddessen gelingt, die eigenen Kosten beispielsweise durch den Einsatz von Software zu senken, beschleunigt sich die Konsolidierung der Industrie. Die Autoren empfehlen deswegen für das „neue normale Jetzt“, die eigene Strategie zu überdenken und offen für Erneuerungen im Vertrieb und in der Lieferkette zu sein. Weitere Ansätze können Veränderungen des Markt- und Produktmix sowie der Wettbewerbslandschaft umfassen. Branchentrends wie Mobilität, autonomes Fahren, Digitalisierung und Elektrifizierung werden an Bedeutung gewinnen.

Wer folglich jetzt das Handeln versäumt, der richtet mehr Schaden als das Corona-Virus an – und steht dann vor einer schweren Zukunft für sein eigenes Unternehmen.

 

Quellen: