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Lieferketten: Die Renaissance des Schienenverkehrs

Die meisten Güter werden in Deutschland über die Straße transportiert – noch. Mit der Stärkung des kombinierten Verkehrs könnte die Schiene in absehbarer Zeit wieder eine wichtigere Rolle im Güterverkehr einnehmen. Denn auch wenn die Entwicklung einige Hürden bereithält: Die ersten Weichen sind bereits gestellt.

Damit Deutschland bis 2030 seine Klimaschutzziele erreichen kann, müssen mehrere Hebel in Bewegung gesetzt werden. Einer davon hat mit dem Schienengüterverkehr zu tun, der eine Renaissance erfahren könnte. Eine Lösung könnte in diesem Zusammenhang vor allem im kombinierten Verkehr liegen, um damit die Potenziale von Schiene und Straße in Einklang zu bringen. Und mit Blick auf die Zukunft ist das auch notwendig. Experten rechnen damit, dass der Güterverkehr bis 2030 um mehr als 20 Prozent zunehmen wird.

Wachsender Güterverkehr in der Welt und Deutschland

Allein in Deutschland haben sich die Güterverkehrsströme in den letzten zwei Jahrzehnten verdoppelt. 2018 lag der Anteil der Güterbahnen an der Gesamtverkehrsleistung bei 19 Prozent, rund 180.000 Güterwagen rollten dafür mit Rohstoffen und anderen Waren und Produkten von A nach B. Mit dem „Schienenpakt“, welcher am 30. Juni 2020 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) unterzeichnet wurde, soll der Güterverkehr auf der Schiene bis 2030 auf 25 Prozent anwachsen.

Die Steigerung scheint gering, stellt aber in der Praxis eine immense Herausforderung dar. Einen Anteil von mehr als 20 Prozent erreichte der Güterverkehr zuletzt vor knapp 30 Jahren. Dennoch transportierte die Deutsche Bahn AG (DB) laut dem Internationalen Eisenbahnverband (UIC) 2019 rund 231,95 Millionen Tonnen Fracht und ist damit europäischer Spitzenreiter vor Österreich mit 80,5 Millionen Tonnen.

Die Zukunft: Ein Mix der Verkehrsträger

Mit dem Stichwort „kombinierter Verkehr“ ist die Verteilung der Transportleistung auf die verschiedenen Verkehrsträger gemeint. Dazu gehört – neben dem Schiffs- und Flugverkehr – vor allem der Gütertransport auf Straße und Schiene. Gegenwärtig wird vor allem unter umwelt- und verkehrspolitischen Gesichtspunkten versucht, diese beiden Verkehrsträger miteinander zu kombinieren. Da der Schienengüterverkehr gegenüber einem Lkw sicherer, zuverlässiger und ressourcensparender ist, soll er in Zukunft an Bedeutung gewinnen.

Neben den genannten Vorteilen ist das Transportmittel Eisenbahn auch das mit den niedrigsten Schadstoffemissionen und daher sehr umweltverträglich. Pro Tonnenkilometer werden – im Vergleich zu einem Lkw – mindestens 80 Prozent an CO2 eingespart.Das schlägt sich auch in den versteckten Umwelt-, Klima- und Unfallkosten des Verkehrs – den sogenannten externen Kosten – nieder: Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist der Eisenbahnverkehr mehr als doppelt so kosteneffizient wie der Straßenverkehr und in der Regel auch schneller.

Spediteure weisen an dieser Stelle aber darauf hin, dass der Lkw aufgrund seiner Flexibilität wohl auch in Zukunft ein interessantes Transportmittel bleibt. Ein nicht zu unterschätzender Nachteil des Schienenverkehrs ist neben der fehlenden Flexibilität die Lärmbelästigung, was allerdings mit Maßnahmen wie Schallschutzkorridoren behoben werden kann.

Transportmittel des 21. Jahrhunderts

Deutschland hat über Jahrzehnte das Bahnnetz eher ab- statt ausgebaut, die einzige Ausnahme bildet der Neubau einzelner ICE-Hochgeschwindigkeitsstrecken. Während das Straßennetz kontinuierlich ausgebaut wurde, schrumpfte das Streckennetz nach Angaben des Statistischen Bundesamts in den vergangenen 25 Jahren um ungefähr 15 Prozent. Gegenwärtig wird in der Verkehrspolitik jedoch ein Prioritätenwechsel angeschoben, der genau das ändern soll. Dafür sind Milliardeninvestitionen in die hiesige Schieneninfrastruktur vorgesehen. Die Bahn soll „das Verkehrsmittel des 21. Jahrhunderts“ werden, das „alle Mobilitätsbedürfnisse in einer nachhaltigen, effizienten und klimabewussten Gesellschaft abbildet“.

Zu viele Straßen, zu wenig Schienen

Eine nennenswerte Verschiebung der Marktanteile ist allerdings alles andere als einfach, denn die Anforderungen beim Ausbau des Schienennetzes sind im Vergleich zum Straßennetz deutlich höher. Dessen ungeachtet kann eine Verbesserung der Transportleistung mittels verkehrslogistische Optimierungsprozesse realisiert werden. Mit 71 Prozent übernimmt der Lkw den größten Anteil am Gütertransport. Übrigens: Nicht überall ist das Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern so unausgeglichen.

Ein Blick in die Schweiz zeigt, was mit fortschrittlicher Verkehrspolitik möglich ist. Bei den Eidgenossen haben die Güterzüge einen Anteil von 40 Prozent an der Güterverkehrsleistung und sind zudem zu 100 Prozent elektrifiziert. In Deutschland sind hingegen erst 61 Prozent des Bundessschienennetzes mit einer Stromleitung ausgestattet, weswegen umweltfreundliche elektrische Güterzüge aktuell immer wieder Umwege in Kauf nehmen müssen. Hier zeigt sich, dass das deutsche Schienennetz – ganz anders als das Straßennetz – an vielen Stellen noch ausbaufähig ist. Bis 2025 möchte die Bundesregierung den Elektrifizierungsanteil auf 70 Prozent erhöhen.

Eine Möglichkeit – von vielen

Der kombinierte Verkehr ist eine besondere Form des Güterverkehrs und bietet sich gerade für globale Lieferketten an. Hier wird eine kurze Strecke vom Versender zum Bahn-Terminal per Lkw zurückgelegt, ehe dort dann die Ladeeinheiten – wie Container oder Sattelanhänger – auf Eisenbahnwagen weiterverladen und so zum Zielort gebracht werden. Sofern es eine letzte Meile gibt, übernimmt diese wieder ein Lkw. Experten sind überzeugt: Der Container ist ein Symbol dafür, dass es für das drängendste Klimaproblem eine Lösung gibt. Und diese Lösung gibt es im Übrigen seit über 200 Jahren: die Schiene.

Dass der Schienenverkehr zumindest etwas an Bedeutung gewinnt, zeigt sich unter anderem daran, dass Gleisanschlüsse derzeit gezielt reaktiviert oder sogar neu gebaut werden. Damit ist ein Angebot für Logistikunternehmen geschaffen worden, dass es ermöglicht, bei längeren Distanzen einfacher auf die klimafreundliche Bahn umzusteigen. Ein Taktfahrplan vernetzt zudem die wichtigsten deutschen und europäischen Wirtschaftszentren miteinander.

Der kombinierte Verkehr ist im Schienengüterverkehr der am stärksten wachsende Bereich, aktuell liegt er bei 36 Prozent. In den nächsten zehn Jahren wird mit einem Plus von 150 Prozent gerechnet – das ist das höchste Wachstumspotenzial in der Logistikbranche. Wenn es Politik und Wirtschaft gelingt, das zu nutzen, kommen sie den gesteckten Klimazielen ein wenig näher.

Quellen: