Die Frage stellt sich immer wieder aufs Neue: Welche Trends und Entwicklungen helfen deutschen Maschinen- und Anlagenbauern, um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten und zugleich eine Vorreiterrolle einzunehmen? Wichtige Kriterien, um nicht abgehangen zu werden, sind Energieeffizienz, Digital Twins und die eigene Innovationskraft in Verbindung mit Industrie 4.0.

Der Maschinenbau von Morgen

Der Maschinen- und Anlagenbau befindet sich derzeit in mehreren Spannungsfeldern: Die Perspektiven haben sich aufgrund des Handelsstreits zwischen den USA und China und des Brexits auf politischer Bühne verschlechtert. Dazu gesellen sich ein weltweit wachsender Protektionismus, Konjunkturschwäche und ein Strukturwandel in wichtigen Kundengruppen. Und nicht zuletzt sorgte die Corona-Pandemie für deutliche Beeinträchtigungen der Lieferketten, die letztlich sogar Produktionsstopps zur Folge hatten.

Hier traf es mit der deutschen Autoindustrie eine exportorientierte Schlüsselindustrie besonders hart. Zusammenfassend rechnet der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) deswegen im kommenden Jahr 2021 auch mit einem Produktionsrückgang von zwei Prozent. „Eine baldige, nachhaltige Änderung zum Positiven ist nicht absehbar“, erläutert VDMA-Chefvolkswirt Dr. Ralph Wiechers.

Fest steht aber: Um nicht auf der Strecke zu bleiben, müssen Maschinenbauer Veränderungen und Herausforderungen annehmen. So können sie beispielsweise durch die Digitalisierung neue Dienstleistungen auf den Markt bringen. Doch auch die effiziente Nutzung von Energie kann in Zeiten steigender Energiepreise zum entscheidenden Wettbewerbsvorteil werden. Unterschätzen dürfen Unternehmen in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht die gewachsenen Umweltansprüche und -anforderungen.

Maschinenbauer kurbeln Energieeffizienz an

Energieeffizienz ist für den Maschinen- und Anlagenbau in Deutschland aus zweierlei Hinsicht wichtig. Unternehmen, die unter energieeffizienten Bedingungen produzieren, sichern sich einen strategischen Vorteil, da sie damit nachweislich Kosten senken und dadurch ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen. Durch die Nutzung von energiesparenden Lösungen und modernen Werkzeugmaschinen nehmen Maschinenbauer daher eine Vorreiterrolle beim Thema Energieeffizienz in der Industrie ein. Dr. Heinz-Jürgen Prokop, Vorsitzender des Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken (VDW), erklärt: „Werkzeugmaschinen deutscher Herkunft gehören zu den nachhaltigsten Produkten, die es derzeit gibt. Sie zeichnen sich durch eine lange Nutzungsdauer aus.“

Nachhaltigkeit leben – Maschinenbau als Schlüsselindustrie

Für Dr. Eric Maiser, Leiter des VDMA Competence Center Future Business, ist der Maschinenbau eine Schlüsseltechnologie für den Klimaschutz: „Er liefert Maschinen für die Produktion von Akkus in E-Autos ebenso wie Wärmepumpen, Windkraftgeneratoren oder Anlagen zur Herstellung synthetischer Brennstoffe auf Basis erneuerbarer Energien.“ Außerdem werden im Maschinen- und Anlagenbau Kontrollsysteme wie beispielsweise zur automatisierten Abschaltung von Maschinen in Schwachlastzeiten oder andere intelligente Steuerungs- und Regelungssysteme eingesetzt.

Zudem arbeiten clevere Unternehmen im Hinblick auf Energieeffizienz mit Technologien zur Rückgewinnung von Bewegungs- oder Prozessenergie. Mit Hilfe von Energiemanagementsystemen, die nach ISO 50001 zertifiziert sind, können Firmen daher ungenutzte Energieverbräuche sowie mögliche Effizienzpotenziale erschließen, Energiekosten senken und den Ausstoß von Treibhausgasen verringern. Nicht vergessen: Am 1. Juli 2021 tritt eine EU-Ökodesign-Richtlinie in Kraft, in der unter anderem die Energieeffizienz beim Einsatz von Drehstrommotoren gesetzlich neu geregelt wird, um die optimale Antriebsform zwischen Motorstarter, Drehzahlstarter oder Frequenzumrichter bestimmen zu können.

Digitale Zwillinge (Digital Twins) – der digitale Spiegel der realen Welt

Digital Twins haben mittlerweile einen festen Platz in der Industrie 4.0 eingenommen. Sie bilden eine digitale Darstellung von physischen Objekten und Systemen ab und bringen Unternehmen zahlreiche Vorteile: Sie können damit Prozesse optimieren oder miteinander verbinden, die Produktion verbessern, Ausfallraten minimieren, Wartungs-, Inspektions- und Reparaturzeitpunkte genauer ermitteln sowie Entwicklungszyklen verkürzen.

Ermöglicht werden Digital Twins durch die gestiegene Anzahl an IoT-Sensoren, die kontinuierlich Daten messen, auswerten und an den Digital Twin weiterleiten. Dieser wertet die großen Datenmengen automatisch aus, stellt bisher unbekannte Zusammenhänge her und kann ungewöhnliche Schlüsse ziehen sowie neues Wissen generieren – und das alles in Echtzeit. Ein prominentes Beispiel dafür ist die NASA: Die US-Bundesbehörde für Raumfahrt und Flugwissenschaft führt seit Jahrzehnten umfangreiche Simulationen durch, um Prozesse anzupassen, Unwägbarkeiten auszuschließen und Kosten zu senken.

Digital Twins ermöglichen mit ihren virtuellen Darstellungen auch die Verbesserung von Produkten – angefangen von deren Funktionsweise über die Benutzung bis hin zu Form und Design. Sprich: Sie werden Usus in der Produktentwicklung, der Produktion und im Service. Auch kundenorientierte Dienste lassen sich weiterentwickeln und Rückschlüsse für Produkt- und Systemverbesserungen können gezogen werden. Das Forschungs- und Beratungsunternehmen Gartner bezeichnet daher Digital Twins als einen der bedeutendsten Technologietrends der Zukunft.

Innovationskraft und Industrie 4.0

Es ist eine Binsenweisheit und zugleich so wichtig: Die Digitalisierung verändert den Maschinenbau nachhaltig und bietet den Unternehmen gleichzeitig Chancen, um auf die gestiegenen Kundenbedürfnisse und neue Gesetzesgrundlagen adäquat zu reagieren. Innovationen in Verbindung mit Industrie 4.0 bilden für Unternehmen das Fundament, auf dem sie zukünftig weiterhin aufbauen müssen, um im Wettbewerb zu bestehen. Beispielsweise können sie dank digitaler Lösungen Kommunikationsprotokolle standardisieren, Prozesse und Programme automatisieren und gegebenenfalls sogar robotisieren.

Innovative, gut aufgestellte Maschinen- und Anlagenbauer sollten die aktuellen politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten sowie den Strukturwandel nutzen, um sich schrittweise neu zu erfinden. Denn zukünftig werden neue Märkte entstehen und der Umsatz unter anderem von Digitalisierung, Klimaschutz und Mobilitätswende entscheidend bestimmt werden. Die Folge: Die Disziplinen Entwicklung, Konstruktion und Produktion sowie Informations- und Kommunikationstechnik nähern sich an und wachsen zusammen.

 

Quellen: